Zumindest dann nicht, wenn weiterhin Pauschalisierungen und die Polarisierung zwischen In- und AusländerInnen den Diskurs über Integration prägen. Denn auf diesem Boden können Vorurteile sprießen und gedeihen – und damit die FPÖ und ihre Propaganda. Eine Entgegnung.

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Eine Aneinanderreihung von Vorurteilen und ein völlig verfehlter Zugang zur Integration: Das ist leider der ernüchternde Befund, zu dem man beim Lesen der kürzlich im STANDARD erschienenen Kolumne „Schulkinder, die nicht Deutsch können“ von Hans Rauscher kommen muss.

Ausgehend von einer Gruppe türkischer Kinder in Niederösterreich rollt Rauscher das volle Repertoire an Vorurteilen über die TürkInnen auf und führt alle Probleme auf eine Ursache zurück: Die Sprache. Nur wenn sie Deutsch könnten, so Rauscher, könne man die TürkInnen vor der FPÖ schützen. Zugleich aber bedient er in seiner Kolumne durch Pauschalisierungen Vorurteile, wie sie sonst das Geschäft eben jener Partei sind.

Die türkischen „Mamas“ zum Beispiel, die von „den despotischen Männern“ in der Parallelgesellschaft weggesperrt, oder die Kinder, die „zwangsverheiratet“ würden: Nichts von alldem ist zu akzeptieren, nichts von alldem aber wird von ALLEN in Österreich lebenden TürkInnen praktiziert. Mit seiner Darstellung der türkischen Gesellschaft als angeblich „autoritär, patrarchalisch und nationalistisch“, zeigt Rauscher ein völlig von Vorurteilen geprägtes Bild der Türkei und seiner BewohnerInnen.

Wenn junge Männer keine oder nur schlechte Arbeit finden, „lungern“ sie, schreibt Rauscher außerdem, „mit Aggression und Testosteron gefüllt“ irgendwo herum und würden straffällig. Dieses Phänomen soll auch schon bei österreichischen Jugendlichen beobachtet worden sein. Auch darauf, dass sich junge Menschen dann mitunter rechtsextremen oder „sehr nationalistischen“ Ansichten zuzuneigen, haben junge türkische Männer gewiss kein Monopol. Mit dieser Reduzierung aber bedient Rauscher weitere Vorurteile.

Mit einigen Aussagen spricht er allerdings durchaus wichtige Punkte, denn beim Thema Integration gilt es tatsächlich es einige Herausforderungen zu bewältigen. Die Ursachen für Probleme sind aber komplexer, als Rauscher dies darstellt. Leider hält er sich bei diesen pauschalen Darstellungen auf, statt komplexeren Zusammenhängen Raum zu geben, von denen einzelne hier genannt werden sollen.

Ja, es stimmt, mangelnde Deutschkenntnisse sind eine Hürde bei der Integration – und viel wichtiger: sie können die Lebensqualität der Menschen beeinträchtigen. Und er hat Recht damit, dass Bildung ein wichtiger Schlüssel ist. Die Einführung eines verpflichtenden Kindergartenjahres wäre tatsächlich ein dringend notwendiger Schritt – verpflichtend aber für alle! Es ist höchste Zeit, dass sich so manche in Österreich von dem Vorurteil verabschieden, ein Kindergarten wäre nur eine Betreuungseinrichtung, in die karrieregeile Frauen ihre Kinder abschieben. Nein, der Kindergarten ist eine Bildungseinrichtung, sein Besuch wäre nicht nur für türkische Kinder ein Vorteil.

Ein weiterer nötiger Schritt wäre die Reform des österreichischen Schulsystems, wie sie Bildungsministerin Claudia Schmied versucht. Denn das österreichische Bildungssystem ist integrationsfeindlich, weil es schon sehr früh selektiert. Den Selektionsmechanismen aber fallen österreichische Kinder, deren Eltern eine schlechtere sozioökonomische Situation und Bildungssituation haben, genauso zum Opfer wie die von Rauscher so bezeichneten „Türkenkinder“ (würde man von „Ösi-Kindern“ sprechen?). Die Folgen einer Ausbildung an Haupt- oder Sonderschulen spüren die jungen Menschen später am Arbeitsmarkt.

Abgesehen davon, dass schlechtere Bildungsabschlüsse auch schlechtere Berufsaussichten bedeuten, werden viele MigrantInnen oder Menschen mit Migrationshintergrund (nicht nur TürkInnen!) Opfer von Diskriminierungen – beim Zugang zur Beschäftigung und auf dem Arbeitsplatz. In einer WIFO-Studie zur Situation von MigrantInnen am Arbeitsmarkt in Wien etwa kommen die AutorInnen zum Schluss, dass dies ein wichtiger Grund dafür ist, dass etwa die Arbeitslosigkeit unter türkischen MigrantInnen so hoch ist. Diskriminierungen sind aber ein Aspekt, den Rauscher sträflich vernachlässigt. Aber nicht nur er, auch die Bundesregierung und die mit Integrationsagenden beauftragte Innenministerin Maria Fekter erwähnen dieses Problem bei den Arbeiten für den Nationalen Integrationsplan mit keinem Wort.

Das zweite schwerwiegende Problem an Rauschers Kolumne ist die Polarisierung zwischen „den ÖsterreicherInnen“ und „den AusländerInnen“ bzw. „den Türkinnen“. So lange der Mainstream in Österreich an dieser pauschalisierenden Einteilung festhält – die Bundesregierung ist gerade dabei, sie in ihren Integrationsplan einzuschreiben –, dann sind wir tatsächlich nicht zu retten. Entlang dieser Linien nämlich können Vorurteile, wie sie die FPÖ propagiert, sprießen und gedeihen. Es ist höchste Eisenbahn, dass Integration endlich als gesamtgesellschaftliche Aufgabe verstanden wird, und nicht als etwas, das „die MehrheitsösterreicherInnen“ für ihre „ausländischen MitbürgerInnen“ tun oder etwas, das erledigt ist, wenn „die ausländischen MitbürgerInnen“ ihre Defizite kompensiert haben.

Diese sehr paternalistische Haltung hat in einer modernen Gesellschaft nichts verloren, genauso wenig natürlich die Reduzierung von MigrantInnen auf eine Opferrolle. Alle hier lebenden Menschen sind gefragt, an dem Integrationsprozess teilzunehmen und ihn als etwas zu verstehen, das sie gestalten können und sollen – und zwar nicht nur, um Prävention gegen die FPÖ zu betreiben. Gegen Strache und seine Politik zu kämpfen, dazu gehört vor allem, dass man den Boden nicht auch noch aufbereitet, auf dem seine Argumente sprießen und gedeihen können. Mit seiner Kolumne aber trägt Rauscher dazu bei.