Es war sehr befremdend, denn eigentlich war es eine wirklich gelungene Kundgebung zum Gedenken an die ertrunkenen Flüchtlinge im Mittelmeer. Doch am Ende schallte ein sehr zweifelhafter Ruf über den Platz, auf dem sich die Zivilgesellschaft so spontan versammelt hatte: die politisch Verantwortlichen und Würdenträger (ohne Innen!) mögen auf die Bühne zum gemeinsamen Foto kommen. Wie jetzt? Wurde nicht vorher die ganze Zeit betont, dass die Kundgebung Ausdruck der zivilgesellschaftlichen Solidarität war, ja, des Schrittes aus der Scham heraus hin zum Ausdruck des Protests. So zumindest schallte es von der Bühne.

Nun kann ich natürlich nachvollziehen, dass man als Organisation die Gelegenheit nutzen will, die politischen Verantwortlichen aufs Foto zu bringen, um sie später auch an ihr Engagement erinnern zu können. Nur leider hatte es etwas sehr Österreichisches, dass zwar die Zivilgesellschaft die Bühne erst ermöglicht hat, diese Bühne aber dann sofort den „Promis“ überlassen wurde.

Und so bin ich schon sehr gespannt auf die Bebilderung in den morgigen Medien. Mich würde nicht wundern, wenn da die Politiker aus den Bildern – mit Verlaub – rausgrinsen. Dabei war es in der Tat die Zivilgesellschaft, die sich heute gezeigt hat – gespickt mit Politikern, die das zum Glück unterstützen. Nur bin ich nicht umsonst skeptisch, zu oft habe ich schon Demonstrationen für die Rechte von Flüchtlingen und/oder MigrantInnen erlebt. Genau deshalb befürchte ich, dass es bei dem Ausdruck der Betroffenheit bleiben wird. Und dass eine Änderung der Politik noch viel mehr Druck von Seiten der Zivilgesellschaft braucht. Ein Bild wie das dort inszenierte darf kein Vorwand sein, um sich zurückzuziehen. Vielmehr ist es ein Anlass, um noch vehementer Druck auf eben diese PolitikerInnen auszuüben.

Denn es ist in der Tat höchst an der Zeit, dass die EU sich von der eigenen Abschottungspolitik verabschiedet. Dass sie endlich jenen europäischen Werten gerecht wird, die sich Humanität nennen oder Gerechtigkeit. Auf dass nicht nur ich vom Gegenteil überzeugt werde, dass PolitikerInnen eben diese Humanität nur bei Demos ausdrücken, nicht aber in der Politik, die sie selbst machen oder auf die sie Einfluss haben.

Die Menschen, die schon morgen wieder Boote besteigen oder heute schon bestiegen haben, um nach Europa zu kommen, hätten es in der Tat verdient. Und Europa als Kontinent, der bestimmte Werte hochhält, umso mehr. Wie heute zurecht gefragt wurde: Will Europa ein Kontinent des Todes oder des Lebens werden? Die Antwort ist hoffentlich einfach, für mich jedenfalls ist sie es.