Ein bunter Themenmix und unkonventionelle Zugänge machen die  französische Online-Zeitung Street Press aus. Sie wird von jungen JournalstInnen für ein junges Publikum gemacht, mit Journalismus-Ausbildungen wollen die Macher von Street Press das Berufsfeld Journalismus einer breiteren sozialen Gruppe zugänglich machen.

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Raus aus der Redaktion, rein ins Geschehen: So lässt sich die Philosophie der jungen, französischen Online-Zeitung „Street Press“ zusammenfassen, und sie ist auch Hintergrund für den Namen. Chefredakteur Johan Weisz sitzt auf einer Couch in einem hübschen Häuschen gleich neben dem Bassin de la Villette im 19e Arrondissement in Paris. Die Räume hat die Stadt Paris der jungen Redaktion zur Verfügung gestellt, sie sind bescheiden, doch immerhin bringen sie dort Redaktion und Schnitträume unter und haben sogar einen gemütlichen Raum im Erdgeschoss, in dem die Redaktionssitzungen stattfinden und der Apéro du Lundi, einem offenen Treffen, bei dem Interessierte Street Press kennenlernen können.

„Wir sind noch Babys“, meint Weisz schmunzelnd, denn die Redaktion gibt es erst seit rund zweieinhalb Jahren. Gemeinsam mit seinen Kollegen wollte er eine Zeitung machen, die über Themen berichtet, die junge Leute interessieren, die aber in den Mainstream-Medien nicht vorkommen. „Außerdem berichten wir aus einer anderen Perspektive, nämlich jener der Jungen.“

Wie Babys hingegen wirken sie nicht, sondern sehr professionell. Dieses Jahr haben sie sogar einen Gewinn erwirtschaftet, der zwar bescheidene 200 Euro ausmacht, aber immerhin. Da Street Press gemeinnützig ist, wird dieser natürlich wieder ins Projekt investiert. Insgesamt 150.000 Unique UserInnen hat die Seite. „Das ist viel und es ist wiederum nicht viel. Wir arbeiten daran, noch bekannter zu werden“, so Weisz. Es gibt Kooperationen mit anderen Medien, das Magazin Rue 89 etwa übernimmt alle politischen Artikel, der Mobilfunkbetreiber Free alle Artikel. Außerdem gibt es eine Partnerschaft mit dem MigrantInnen-Magazin Respect.

Die Redaktion ist offen, man kann zu den Redaktionssitzungen kommen und dort Themen vorschlagen, aber auch per Mail. Wichtig sei jedoch der Austausch, so Weisz. Deshalb werden alle, die für Street Press schreiben, intensiv begleitet. Das Team von Street Press besteht aus fünf Personen, die Vollzeit angestellt sind. Vier von ihnen haben einen journalistischen Hintergrund, wobei eine von ihnen eine JournalistInnen-Schule absolviert hat, die anderen drei kommen aus der Praxis. Weisz selbst hat fürs Radio gearbeitet und für Online-Medien. Der fünfte im Bunde hat eine Regie-Ausbildung hinter sich

Zielpublikum sind LeserInnen zwischen 20 und 35 Jahren. Wie in anderen Online-Medien auch gibt es verschiedene Ressorts: Gesellschaft, Politik, Kultur, Sport, Medien. Doch Street Press hat nicht den Anspruch, diese kontinuierlich zu fülllen, dazu hätten nicht die Ressourcen. „Wir können nicht alles abdecken. Deshalb schreiben wir auch nichts über die Zusammensetzung der Regierung, diese Informationen findet man in den anderen Medien. Unsere Position ist: Wenn wir nichts zu sagen haben, sagen wir auch nichts“, so Weisz. Die Blattlinie: „Wir sind urban, offen, und wir schreiben über Geschichten, die von anderen übersehen werden.“

Erst kürzlich ging die Redaktion der Frage nach: „Wie stelle ich es an, wenn ich bei der Parlamentswahl kandidieren will?“ Anlässlich des internationalen Tags gegen Homophobie ging es um die Frage, wie Homosexuelle Sex haben. „Phantasien darüber gibt es viele, doch wie es wirklich ist, darüber wird nicht offen gesprochen“, so Weisz. Street Press-Journalistin Elodie Font zog los und ließ vier Betroffene zu Wort kommen.

Dann wiederum geht es um Themen wie Rechtsextremismus oder die Verschwörungstheorien eines linken Kandidaten, um zu spaßigeren Geschichten zu wechseln: „Wir haben ein Interview mit einem Marketing-Verantwortlichen von Nestlé gemacht, ob sie nun Flanby ins Elysée liefern.“ Flanby ist ein französischer Karamell-Wackelpudding und der nunmehr neue Präsident Francois Hollande wurde von spöttisch so genannt, weil er so weich sei. So kommt eine eigenwillige Mischung zustande. „Klar, unser Themenmix ist oftmals gewagt, aber das ist der Charme“, so Weisz.

Interessant ist ihr Geschäftsmodell: Per Videoproduktionsfirma wird die Zeitung finanziert. Dazu kommen Journalismus-Ausbildungen, die etwa von Bezirken oder Kommunen gebucht werden können, Zielpublikum sind auch hier junge Menschen. „Wir werden gern als Zeitung beschrieben, die von der Banlieue-Jugend gemacht wird, doch dagegen verwehre ich mich“, meint Weisz. Ihr Ziel ist es, das Berufsfeld Journalismus einer größeren sozialen Gruppe zugänglich zu machen. So bieten sie inzwischen einen Lehrgang an, die Street School.

Anders als in JournalistInnen-Schulen gibt es keine Aufnahmetests und Interessierte müssen auch noch keine Berufserfahrungen gemacht haben, was viele bereits ausschließt. Vielmehr müssen BewerberInnen ihre Motivation darlegen, im Journalismus zu arbeiten. „Dadurch bekommen wir eine sehr gute Mischung an Leuten zusammen“, so Weisz.

Das Interesse für die erste Academy war groß: 400 Bewerbungen flatterten bei Street Press herein. Genommen werden konnten jedoch nur 15 Personen. Diese wurden über 15 Wochen hinweg in den verschiedenen journalistischen Ausdrucksformen ausgebildet, von Print über Radio bis hin zur Videoproduktion.

Bislang haben insgesamt 430 junge Menschen bei Street Press mitgemacht, mehr als 100 haben an einer Ausbildung teilgenommen. „Da gibt es wirklich schöne Geschichten, manche von ihnen sind inzwischen an einer Journalisten-Schule“, erzählt Weisz nicht ohne Stolz. Insgesamt seien er und seine Kollegen sehr zufrieden. „Wir arbeiten ein bisschen zu viel, aber gut!“, sagt Weisz lächelnd.

(Dieser Artikel erschien auch auf www.paroli-magazin.at)