Vor beeindruckenden Kulissen feierte die Linke am Sonntag in Paris Hollandes Wahlerfolg, zugleich hat der Wahlkampf für die Parlamentswahl im Juni bereits begonnen.

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Die Situation war fast schon skurril: Massen von Menschen drängten sich in den Gängen der Métrostation Solférino, alle auf dem Weg zur Siegesfeier am Sitz des Parti Socialiste – und doch bangten manche immer noch, ob es denn wirklich wahr sei. „Ist es denn wirklich sicher, dass er gewonnen hat?“, fragte eine Frau neben mir. Immerhin würde es noch eine Stunde dauern, bis um 20 Uhr übers französische Fernsehen die ersten Hochrechnungen präsentiert würden. Hinten weiter riefen Sprechchöre „Wir werden gewinnen!“, um von AnhängerInnen weiter vorne zuversichtlich ausgebessert zu werden: „Nicht wir werden – wir haben (!) gewonnen!“

Schon am späteren Nachmittag zeichnete sich in Paris ab, was um 20 Uhr Gewissheit werden würde: Der sozialistische Kandidat Francois Hollande wurde zum französischen Präsidenten gewählt. An der Place de la Bastille, ein symbolischer für die französische Linke, versammelten sich schon gegen 17 Uhr die Menschen, detto in der rue Solférino. Um 19 Uhr war nicht mehr daran zu denken, zum Sitz des PS vorzudringen. Der boulevard St. Germain war gesperrt und von beiden Seiten strömten geradezu Menschenmassen in Richtung rue Solférino. Als der Wahlerfolg Hollandes zur Gewissheit wurde, wurde ausgelassen gejubelt und gefeiert.

Paris sollte an diesem Abend eine ausgiebige Wahlfeier der Linken erleben – beeindruckend die Kulissen, vor denen sich all dies abspielte: Entlang des boulevard St. Germain, vorbei etwa am berühmten Café de Flore, bewegten sich die AnhängerInnen in Richtung Bastille – da, wo AnhängerInnen von Francois Mitterrand 21 Jahre zuvor dessen Wahlsieg gefeiert hatten (und natürlich auch, wo die französische Revolution ihren Ausgang genommen hat). Ob auf den Straßen oder in der Métro: Es sollte eine Nacht der Hupkonzerte, Sprechchöre und Feiern werden.

Doch schon am Wahlabend selbst war klar, dass es keine Atempause geben würde: Schon dort standen die Zeichen wieder auf Wahlkampf, denn im Juni wird die Nationalversammlung neu gewählt. Während die PolitikerInnen des PS sich über ihren Wahlerfolg freuten, nahm die UMP den Ball bereits wieder auf: „Heute haben wir verloren, aber es ist noch nicht vorbei: Es gibt einen dritten Wahlgang“, betonten VertreterInnen der Sarkozy-Partei. Ihr zentrales Argument, warum sie gewinnen müssten: Nun habe die Linke überall die Mehrheit, ob in den Kommunen oder im Senat – diese Macht müsse ausgeglichen werden. Damit plädieren die Konservativen für eine so genannte „Cohabitation“: So heißt es, wenn die Regierung aufgrund entsprechender Parlamentsmehrheiten eine andere Couleur hat als der Präsident. Gerade in Frankreich ist dies eine eher schwierige Situation, hat doch der Präsident auch in der Tagespolitik wichtige Befugnisse, etwa was die Außen- oder Europapolitik betrifft.

Dass das französische System anders ist als das österreichische zeigt sich auch darin, dass die Regierung des konservativen Francois Fillon bereits ihren Rücktritt eingereicht hat. Noch bevor die Parlamentswahl stattfindet, wird also eine linke Regierung vorübergehend die Geschäfte übernehmen. Spekuliert wird derzeit darüber, ob Hollande wohl eher Martine Aubry oder Jean-Marc Ayrault zum Premierminister ernennen wird. Parteichefin Aubry wäre ein Signal an die Linke, Ayrault eher in Richtung Deutschland, spricht doch der Präsident der Nationalversammlung gut Deutsch und hat gute Kontakte zur SPD.

Noch vier Wochen sind es bis zum ersten Wahlgang der Parlamentswahl. Eine wichtige Variable dabei ist der Front National, vor allem für die UMP. Denn bei der Parlamentswahl gibt es für den Fall, dass keinE KandididatIn auf Anhieb die Mehrheit bekommt, keine Stichwahl im eigentlichen Sinn, sondern im zweiten Wahlgang treten jene KandidatInnen an, die über 12,5 Prozent der Stimmen gewonnen haben. Meistens sind dies dann drei KandidatInnen, in Frankreich spricht man von Triangulaires. Von der Wahlarithmetik her geht man von folgendem Szenario aus: In den Triangulaire kommen jeweils einE KandidatIn von PS, UMP und FN – und damit gewinnt der PS. Somit ist nun auch Le Pen wieder mitten im Zentrum des Geschehens.

Man werde das „Inakzeptable“ nicht hinnehmen, erklärte etwa Parteichef Jean-Francois Copé kämpferisch in Richtung Parti Socialiste. Noch könne man verhindern, dass eine linke Regierung Hollandes Wahlversprechen auch umsetzten könne. Zugleich schien sich die UMP auch gleich gegenüber den FN-WählerInnen in Stellung zu bringen. An erster Stelle jener Dinge, die es zu verhindern gelte, nannte Copé das kommunale Wahlrecht für MigrantInnen.

Doch noch einmal einen Schritt zurück: Und Nicolas Sarkozy? Dieser hatte in einer viel beachteten Rede am Wahlabend erklärt, die volle Verantwortung für die Niederlage zu übernehmen. Außerdem wünschte er  Hollande alles Gute bei seiner neuen Aufgabe – immerhin gebe es etwas, „das größer ist als wir“: Frankreich, das hoffentlich unter dem neuen Präsidenten gut aus dieser Krise herausfinde.

Am Dienstag übernimmt Hollande offiziell die Agenden von Nicolas Sarkozy, als nächstes steht einerseits die Regierungsbildung an, andererseits wird sich Hollande noch am Dienstag nach Berlin begeben, wo er seinen Antrittsbesuch bei Angela Merkel absolvieren wird – während in Frankreich der Wahlkampf weitergehen wird. Es bleibt also spannend hier.