Seit ein paar Stunden hat also der „Jour J“, der „Tag X“ begonnen: Es wird auch auf dem französischen Festland gewählt (in den Überseegebieten bereits gestern). Seit 8 Uhr sind die Wahllokale offen. Die beiden Favoriten Nicolas Sarkozy und Francois sind bekannt, doch so ganz trauen wollen den Umfragen hier viele nicht. Zu tief sitzt der Schock von 2002 noch in den Knochen, als Jean-Marie Le Pen es überraschend in die Stichwahl schaffte. Unsicher ist man einerseits angesichts der großen Zahl an Unentschlossenen, andererseits blickt man gebannt auf die Wahlbeteiligung, denn es war gerade die große Zahl der Nicht-WählerInnen, die Le Pen im Jahr 2002 zum Erfolg verhalf.

Doch dieses Mal ist die Lage wohl anders, immerhin ist der Abstand zwischen den beiden Favoriten und Marine Le Pen in den Umfragen deutlich größer als 2002. Umfragen sagen ein knappes Rennen zwischen Sarkozy und Hollande voraus, wobei die Tendenz zuletzt eher in Richtung des Sozialisten Hollande ging. Spannend wird das Rennen um Platz drei: Wird ihn Marine Le Pen oder Jean-Luc Mélenchon vom Front de Gauche erringen? Letzterer hat einen für viele erstaunlich erfolgreichen Wahlkampf hinter sich gebracht und es ist nur schwer einzuschätzen, wie viele WählerInnen er tatsächlich mobilisieren kann. Werden manche am Ende doch „nützlich“, also Hollande wählen? „Vote utile“ wird das hier genannt, sprich dass die WählerInnen möglicherweise doch auf Nummer sicher gehen könnten und einen der beiden Favoriten wählen, um dem jeweiligen Lager sicher zum Erfolg zu verhelfen. Dieses nützliche Wählen wird nicht umsonst von ihm sowie von Le Pen immer wieder in Frage gestellt.

Interessant ist das Ergebnis von Platz 3 mit Blick auf die Stichwahl, denn das Ergebnis der beiden vermutlichen Kandidaten wird unter anderem vom Verhalten dieser WählerInnen abhängen. Einschätzungen zu Folge werden mehr WählerInnen von Mélenchon auch Hollande wählen als Le Pen-WählerInnen Sarkozy. Auch in dieser Hinsicht, aber auch mit Blick auf die Parlamentswahl wird außerdem spannend sein, wie Francois Bayrou von der Zentrumspartei MoDem und Eva Joly von den Grünen abschneiden. Beide könnten einer Regierung zur Mehrheit verschaffen und je stärker ihre Position schon bei der Präsidentschaftswahl, desto besser auch für etwaige Koalitionsverhandlungen. Die Vorhersagen sehen jedoch für beide nicht so rosig aus, als dass sie hier auf einen starken Rückhalt hoffen können.

Im Übrigen gibt es noch vier weitere KandidatInnen. Auf linker Seite: Nathalie Arthaud von Lutte Ouvrière, Philippe Poutou vom Nouveau Parti Anticapitaliste und Jacques Cheminade. Auf rechter Seite: Nicolas Dupon-Aignan.

Na ja, um 20 Uhr werden wir schlauer sein – oder möglicherweise sogar vorher. Ich werde mich in jedem Fall in den nächsten Stunden hier in Paris umsehen und dann ab 17 Uhr gemeinsam mit meinen netten KollegInnen auf derStandard.at live berichten. A plus!