Lojze Wieser, Sprecher von „Pro Kärnten/Za Koroška“, über fehlendes Rückgrat der Kärntner Parteien in den vergangenen Jahrzehnten und die „Luftblase“ Abwehrkampf

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derStandard.at: Sie haben unter dem Titel „Pro Kärnten/Za Koroško“ eine Aktion gestartet, in deren Rahmen man Patenschaften für zweisprachige Ortstafeln übernehmen kann. Was wollen Sie damit erreichen, denn Landeshauptmann Jörg Haider wird sich davon wohl kaum beeindrucken lassen?

Wieser: Wir wollen durch diese symbolische Patenschaft zeigen, dass aus Kärnten etwas Positives nach Europa und in die Welt geschickt werden kann.

Nachdem wir in Europa 200 Kulturen haben, werden wir diesen Fragen nicht ausweichen können. Das heißt, die europäische Zukunft wird derart gestaltet sein müssen, dass sie überall dort, wo Menschen, Kulturen und Sprachen zusammenkommen, auch Wege finden muss, wie sie ihnen Achtung und Anerkennung entgegenbringen kann.

In diesem Sinne ist dies also nicht nur eine Angelegenheit der Minderheit, sondern der Mehrheit – in Österreich, aber gleichzeitig auch in Europa.

derStandard.at: Sie selbst haben als Kind noch mit Intoleranz gegenüber den Kärntner Slowenen zu kämpfen gehabt. Wie schätzen Sie die Lage der Kärntner Slowenen heute ein? Was hat sich verbessert und wo sehen Sie abseits der Ortstafeln die größten Probleme?

Wieser: Verbessert hat sich, glaube ich, dass Österreich nicht mehr seinen Nationalstaat erhalten muss und dadurch auch nicht mehr gezwungen ist darauf zu pochen, dass alle in diesem Nationalstaat nur Deutsch sprechen. Verbessert hat sich, dass eine Offenheit anderen Kulturen und Sprachen gegenüber tatsächlich auch gelebt werden kann – die kein Hindernis sind, sondern als Brücken dienen können. Verbessert hat sich, dass wir nicht an den Rand geschoben, sondern in ein Zentrum hineingerückt sind.

Gleichzeitig hält sich hier natürlich auch eine dumpfe Sichtweise und Politik. Darin drückt sich aber noch etwas anderes aus: Der Nationalstaat im traditionellen Sinne mit seinen ganzen rückwärts gewandten Utopien trifft auf den europäischen, offenen und demokratischen Geist – und diese beiden Haltungen schlagen sich.

derStandard.at: Sie haben selbst einen Verlag, der sich vor allem slowenischer Literatur bzw. dem südosteuropäischen Raum widmet. Wie etabliert ist denn der Verlag inzwischen und wie ist vor allem das Interesse vor allem der Deutsch-Kärntner?

Wieser: Auch hier ist es so: Die Mehrheit der Menschen, die mit der Literatur, die wir verlegen, in Berührung kommt, ist davon sehr beeindruckt und liest uns. Insbesondere die Reihe „Europa erlesen“ hat hier ein breites Tor zur Verständigung und zum Verständnis der anderen Kultur aufgemacht. Wir folgen der Prämisse, dass die Kultur die Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln sein kann. Tatsache ist, dass eineinhalb Rezensionen pro Tag über unsere Bücher im gesamten deutschsprachigen Raum erscheinen. Tatsache ist aber auch, dass wir immer mehr geachtet werden, desto weiter wir von Kärnten weg sind mit unseren Autoren und Büchern.

derStandard.at: Thema „Abwehrkampf-Mythos“: Löst sich dieser Ihrer Einschätzung nach so langsam auf in den Köpfen der Menschen oder spielt er nach wie vor eine große Rolle?

Wieser: Dieser Abwehrkampf hält sich nur so lang als Mythos, wie er als Luftblase gehalten wird. Das ist so ähnlich wie mit dem Seifenwasser, mit dem man so wunderbare Kugerln blasen kann, die ein wenig glitzern, aber dann sehr schnell platzen.

Hätte die Politik schon in den letzten Jahrzehnten wenig mehr Rückgrat bewiesen und würde sich auch heute noch in die Gemeinden begeben und anfangen, dort die Leute zu überzeugen – egal von welcher Fraktion sie kommen -, würde sich diese Luftblase sehr bald in Luft auflösen. Je mehr aber eine rückwärts gewandte Minderheit in den Medien auftreten kann und je mehr man diesen Leuten Beachtung schenkt, desto länger wird sich diese Luftblase halten.

Umso mehr sind alle anderen demokratischen Parteien und Kräfte und denkenden Menschen aufgerufen, hier Zivilcourage zu beweisen und dem entgegenzutreten. Sie werden sehen: Je mehr von SPÖ, ÖVP und den Grünen sich dagegen stellen, desto weniger werden solche vaterländischen Losungen beachtet.

derStandard.at: Nun scheint ja Jörg Haider sehr wohl damit zu kalkulieren, dass ihm das auch bei den Nationalratswahlen hilft – eine Fehlkalkulation?

Wieser: Ich glaube, das es nicht nur kalkuliert, sondern sogar sein einziges Ziel ist. Er würde seine Großmutter verkaufen, um dieses Grundmandat zu schaffen.

derStandard.at: Wie viele Patenschaften gibt es eigentlich schon?

Wieser: Das ändert sich stündlich, jetzt (12 Uhr) sind es mehr als 2300, heute in der Früh waren es noch 2001. Ich bin gerade von einer Sitzung kommend auf dem Marktplatz in Klagenfurt gewesen und da haben mich fünf Leute darauf angesprochen, die gemeint haben „Endlich einmal wird da was Positives gegen diese Dumpfbackigkeit in dem Land gemacht!“ Weil es ist ein schönes Land und es leben vernünftige Leute in diesem Land und die müssen sich alle schämen für irgendeine Politik, für die sie nicht stehen. Wir haben wirklich besseres zu tun, als uns immer wieder mit abgestandenem Wasser zu beschäftigen.

derStandard.at: Was muss man machen, um so eine Patenschaft übernehmen zu können?

Wieser: Man muss sich nur auf der Liste eintragen – mit Namen und Adresse sowie mit Email-Adresse, denn es gibt natürlich auch den einen oder anderen, der sich einen Jux machen will und Wolfgang Schüssel einträgt. (Sonja Fercher, derStandard.at)